Religiöses Buch des Monats November 2024

Tobias Haberl, Unter Heiden. Warum ich trotzdem Christ bleibe, btb Verlag, München 2024, ISBN/EAN: 978-3442762873, 288 Seiten, 22,00 Euro

 

Als im März 2023 im SZ-Magazin ein Text mit dem Titel "Unter Heiden" erschien, in dem der Journalist Tobias Haberl seine Erfahrungen als Katholik in einem zunehmend areligiösen Umfeld beschrieb, waren die Reaktionen darauf weitaus größer als Autor und Zeitung erwartet hatten - und überwiegend positiv.

Aus dieser Erkenntnis, mit seinem Essay ein Lebensgefühl angesprochen zu haben, das offenbar viele Leserinnen und Leser teilen, entstand nun ein gutes Jahr später das gleichnamige Buch. Es drückt das Unbehagen darüber aus, dass einer zunehmend entchristlichten Gesellschaft das Wesentliche verloren geht - ohne dass sie das zu bemerken scheint.

Haberl will aber nicht nur denen Mut machen, die immer noch gläubig sind, sich aber oft nicht mehr trauen, das auch zu bekennen. Er möchte gerade auch die Ungläubigen - eigentlich keine "Heiden", wie der Autor selbst einräumt - ansprechen und ihnen zeigen, auf was sie, ohne es zu wissen, eigentlich verzichten. "Ich glaube, dass der moderne Mensch darunter leidet, dass er seinen Glauben verloren hat, ohne dass er es merkt. Ich glaube, dass er sein Glück in falschen Dingen und an falschen Orten sucht. Ich glaube, dass er Sehnsucht nach etwas hat, das er sich nicht erklären kann. Um ihm zu zeigen, was das sein könnte, habe ich dieses Buch geschrieben."

Reflexion eigener Glaubenserfahrungen

Seine Überlegungen vermitteln keine im engeren Sinne theologischen Inhalte, sondern sind Reflexionen seiner ganz persönlichen Glaubenserfahrungen - und seiner Erfahrungen, wie das nicht religiöse Umfeld auf seinen Glauben reagiert. Er schildert seine katholische Kindheit in Niederbayern, wo der Glaube noch als Selbstverständlichkeit angesehen wurde - mit allen Vor- und auch Nachteilen, die diese Situation hatte. Dass er persönlich jedoch in der Kirche nur gute Erfahrungen gemacht und sich irgendwann dann auch bewusst für den Glauben entschieden habe.

Er erzählt von mehr oder weniger regelmäßigen Messbesuchen, von einem ebenso herausfordernden wie bereichernden einwöchigen Klosteraufenthalt, von seinen Erfahrungen in Beruf und Freundeskreis, wenn er sich als Katholik zu erkennen gibt, von seinen Tröstungen durch den Glauben wie von seinen Zweifeln.

Was Menschen Hoffnung gibt

Haberl versteht durchaus, dass sich infolge des Missbrauchsskandals viele von der Kirche abwenden, will aber deren positive Seiten nicht einfach unterschlagen sehen. Und daran erinnern, dass es in der Kirche vor allem darum geht, die Menschen immer näher in die Gegenwart Gottes zu führen - was die meisten inzwischen völlig vergessen zu haben scheinen.

Zumindest eine Mitschuld dafür sieht Haberl auch bei den Medien: "Die meisten Medien haben beschlossen, die metaphysische Seite des Glaubens zu ignorieren", es gehe dort immer nur um diesseitige Probleme der Kirche. "Ginge ich nicht regelmäßig in die Messe, ich vergäße auch, dass es im Christentum nicht um Sozialpolitik, sondern um das ewige Leben geht." Und genau diese Dimension des Glaubens ist es, die unserer Gesellschaft im 21. Jahrhundert abgeht: Wie und wo lässt sich das Heilige noch erfahren? Was kann uns in einer nahezu vollständig digitalisierten Welt noch Sinn und Hoffnung geben?

"Beschämende" Spaltung

Der Autor fühlt sich zwar durchaus angezogen von der Alten Messe und traditionellen Frömmigkeitsformen, ist aber kein Traditionalist, schon gar nicht in ethischen Fragen - und er befürwortet durchaus Reformen in der Kirche, kann sich andererseits aber auch nicht in der Forderung nach einer "zeitgemäßeren" Kirche wiederfinden. Dass es auch in der Kirche das Auseinanderfallen in gegnerische Lager gibt, die kaum noch miteinander zu tun haben wollen, bedauert er in jedem Fall sehr, findet das für Christen "beschämend".

Tobias Haberl hat ein sehr persönliches, ehrliches Buch über den Glauben vorgelegt, dem bestimmt nicht alle in allen Punkten zustimmen, manchmal viele sogar heftig widersprechen werden, das aber sicher eines erreichen kann: Menschen über den Glauben wieder ins Gespräch zu bringen. Mehr will der Autor wohl auch nicht, weniger aber auch nicht.

 

 

 

(Michaelsbund)

 

 

Das „Religiöse Buch des Monats“ wird seit dem Jahr 2000 von den beiden katholischen Büchereiverbänden in Deutschland, dem Sankt Michaelsbund (für Bayern) und dem Borromäusverein (außerhalb Bayerns) ausgewählt. Das Anliegen der Auszeichnung ist es, Bücher zum Thema Religion und Glauben in ihrer Bandbreite bekannter zu machen. Dazu wählen die Lektorate monatlich ein Buch aus, das aus Sicht des christlichen Glaubens ein grundlegendes Thema aufgreift wie Orientierung und Sinn im Leben, Gemeinschaft, gesellschaftliche Verantwortung. Diese Bücher geben Rat in verschiedenen Lebenssituationen, greifen Lebensschicksale auf, regen an, das Leben und den Jahreskreis bewusst zu gestalten oder tragen zu gesellschaftlichen und kirchlichen Debatten bei. Die Bücher erreichen so Menschen, die sich Fragen der Gesellschaft und den eigenen biografischen Herausforderungen bewusst stellen wollen und diese Fragen im Licht des religiösen Glaubens reflektieren und vertiefen.

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