Religiöses Buch des Monats Oktober 2024

Thomas Weiß, Wäre da doch jemand, der Mich hört! Wege durch Zeiten des Leids, Gütersloher Verlag, Gütersloh 2024, ISBN/EAN: 978-3-579-07476-4, 187 Seiten, 20,00 Euro

 

Wenn es darauf ankommt, bist du nicht da! Diese Art Gotteserfahrung dürfte weit verbreitet sein. Wie viele Menschen haben sich deswegen enttäuscht von ihm abgewandt? Wie oft wurde diese Erfahrung schon als Argument gegen Gott, gegen Religion insgesamt ins Feld geführt?

Der Theologe Thomas Weiß nimmt eine schwere Erkrankung zum Anlass, um über die Frage nach Gott im Leid nachzudenken. Er erinnert daran, dass schon Jesus am Kreuz Gottes Schweigen aushalten musste. Die Evangelisten Matthäus und Markus drücken seine Not aus, indem sie ihm die ersten Worte des Psalm 22 in den Mund legen, eine Art Ur-Schrei nach dem abwesenden Gott. Es könnte an unseren Gottesbildern liegen, vermutet Weiß, „dass wir Gott nicht hören können, dass er uns zu schweigen scheint.“

Im Wissen darum, dass Gott in den Worten über ihn wohl anwesend ist, menschliche Worte ihn aber nicht erfassen können, bedenkt er deshalb verschiedene Gottesbilder: den schweigsamen Gott, den fragwürdigen, den versehrten, den unbrauchbaren Gott – und noch einige mehr – und gewinnt diesen Bildern überraschende Einsichten ab. Schweigen muss nicht Desinteresse bedeuten, erkennt Weiß. „Es gibt einen Schmerz, der verschlägt dir die Sprache; es gibt Leid, das erlaubt keinen Ausdruck mehr; es gibt Not, für die du keine Worte mehr hast.“ Bekannte hätten ihm, als er nach langer Zeit in der Klinik wieder zu Hause war, häufig gesagt, dass sie viel an ihn gedacht hätten, aber nicht wussten, was sie ihm hätten sagen sollen. Aushalten ist ein Freundschaftsdienst, wenn Worte nicht mehr weiterhelfen, ist Weiß‘ Erfahrung.

Das wirft ein anderes Licht auf Gottes Schweigen: Schweigt er, weil er uns nahe ist? „Ich möchte das glauben“, schreibt Weiß. Ich auch. Diese Nähe ist nur deshalb möglich, weil Gott ein versehrter Gott ist. Im Unterschied zu den Vorstellungen von einem starken, allmächtigen Gott erzählt dieses Bild davon, dass Gott unmittelbar mitleidet. Doch: „Was hilft ein gekreuzigter, versehrter Gott?“ In aller Vorsicht versucht der Autor eine Antwort: Er habe trotz seines Leids, während beinahe unerträglicher Schmerzen, während der Chemo noch das das Gute sehen können. Nicht das Leid war gut (beileibe nicht!), gut war die Solidarität, die seine Familie und er erfahren haben. Sie sieht er als Hinweis auf Gottes stille Anwesenheit, die ihm Kraft und Hoffnung gegeben haben. Deshalb kann er sagen: „Gott ist nicht nur dabei, voller Erbarmen und Mitleid.“ Nein, das Kreuz Christi zeige: „Gott ist mittendrin.

Die schwärzeste Nacht, der grellste Tag, die feurigste Hitze, die eisigste Kälte, der brennendste Schmerz und der bodenlose Abgrund, sie sind nicht gottlos!“ Thomas Weiß hat ein durch seine Erfahrung beglaubigtes Buch über einen Gott geschrieben, zu dessen Wesen es offenbar gehört, im Verborgenen zu wirken. Seine Durchsicht verschiedener Gottesbilder ist ebenso überraschend wie aufbauend und sei allen Menschen ans Herz gelegt, die Leid durchleben oder mit Leidenden zu tun haben.

 

 

 

 

(Borromäusverein)

 

 

Das „Religiöse Buch des Monats“ wird seit dem Jahr 2000 von den beiden katholischen Büchereiverbänden in Deutschland, dem Sankt Michaelsbund (für Bayern) und dem Borromäusverein (außerhalb Bayerns) ausgewählt. Das Anliegen der Auszeichnung ist es, Bücher zum Thema Religion und Glauben in ihrer Bandbreite bekannter zu machen. Dazu wählen die Lektorate monatlich ein Buch aus, das aus Sicht des christlichen Glaubens ein grundlegendes Thema aufgreift wie Orientierung und Sinn im Leben, Gemeinschaft, gesellschaftliche Verantwortung. Diese Bücher geben Rat in verschiedenen Lebenssituationen, greifen Lebensschicksale auf, regen an, das Leben und den Jahreskreis bewusst zu gestalten oder tragen zu gesellschaftlichen und kirchlichen Debatten bei. Die Bücher erreichen so Menschen, die sich Fragen der Gesellschaft und den eigenen biografischen Herausforderungen bewusst stellen wollen und diese Fragen im Licht des religiösen Glaubens reflektieren und vertiefen.

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